Brief (Transkript)

Paul Friedrich Wilhelm Koegel an seine Familie am 2.2.1871 (3.2013.2712.8)

 

St. Gemain, den 2 Februar [18]71.

Liebe Mutter u Schwestern !

Mit Gottes Hilfe ist mein Auge wieder so weit hergestellt,
daß ich dasselbe wieder vollständig gebrauchen kann, und will ich Euch
nur gleich zu Eurer Beruhigung einen längern Brief schreiben,
als die letzten wenigen Zeilen. Mein Geschwür ist auch schon seit
mehreren Wochen geheilt und werde ich also binnen wenigen
Tagen meinem Reg[imen]t nach Versailles folgen, ich denke spätestens
Montag von hier abzugehen. Daß wir jetzt die besten Aus=
sichten zum Frieden haben, wißt Ihr gewiß schon längst,
Paris ist so gut wie immer unser, die Forts sind schon seit
mehreren Tagen von unsern Truppen besetzt. Ohne
Zweifel bekommen wir nach Beendigung der 3 Wochen
Waffenruhe Frieden, denn die Franzosen scheinen nun
doch bald einzusehen, daß sie gegen uns nichts machen können.
Wenn der Friede erst wirklich unterzeichnet ist, dann habe
ich große Aussichten recht bald zurückzukehren, denn wie es
heißt, wird unser Kaiser gleich nach Beendigung der
Friedensverhandlungen zurückkehren und wie man sagt,
wird er unsere Division gleich mit heim nehmen.
Wenn also alles nach Wunsch geht, könnte ich dann in
ca 6 Wochen wohl zu Hause sein und auf jeden Fall
werden wir dann gleich entlassen. Wir haben also die
besten Aussichten uns recht bald zu sehen, möge uns der all=
gütige gesund und munther zusammen führen.
Gestern erhielt ich Euren Brief mit den Volkszeitungen, wie
mir Alma darin schreibt, bist Du, liebe Mutter, jetzt wieder
sehr leidend, Du bist hoffentlich nicht ernstlich krank, das möge
Gott verhüten, ich wünsche Dir baldige Besserung Deiner

alten Leiden. Meinetwegen braucht Ihr Euch ja nicht
mehr so sehr zu ängstigen, denn jetzt hat es hier nicht

mehr solche Gefahr. Meiner Ansicht nach ist der Krieg jetzt
zu Ende, denn der Feind ist zu sehr erschöpft.
Papier schickt mir nicht mehr, ich habe vom Ernst auch
etwas bekommen, und denke daran genug zu haben,
ebenso habe ich Strümpfe u. wollene Sachen genügend
hier. Daß Loeschke´s auch einen Verlust zu beklagen
haben, bedauere ich sehr, wahrscheinlich ist der betreffende
Neffe bei Le Mans gefallen, grüßt sie vielmal von mir.
Müßt Ihr die Zeitungen bezahlen, welche Ihr mir schickt,
das wäre denn doch etwas zu kostspielig, dann unter=
laßt es lieber; wenn nicht, dann sind sie jedoch erwünscht.
Von Fritz u. Otto bekam ich vor ungefähr 8 Tagen
auch einen Brief ich habe gestern an beiden

geschrieben. Daß es Otto dort so gut geht, freut mich

sehr, wir haben es hier gerade nicht besonders, bekom¯t
denn Otto Montierungsgelder (Kleidergeld), oder muß er sich seine
Sachen allein bezahlen, die Ihr ihm habt schicken
müssen, dies wäre doch etwas bitter.
An Adolph habe ich vor kurzem auch wieder geschrieben.
Herr Pastor Rocholl feiert am 15 Februar sein
25 jähriges Jubileum in Ottersleben, Adolph´s Geburtstag
ist auch an diesem Tage, ich werde an beiden
eine Gratulation abgehen lassen. Ernst ist seit vor
Weihnachten wieder zu Hause von hier, er war hier
kränklich, er ist hier auch bei Paris gewesen.
Ich will heute hiermit schließen, denke aber recht bald
wieder zu schreiben, ich habe in diesen Tagen viel zu
schreiben, da ich meine Correspondence in der letzten Zeit
etwas vernachlässigt habe.

(Randbeschriftung links)

Schreibt recht bald wieder, meine Adresse ist also an die Compagnie
lebt also Alle recht wohl uns seid herzlich von

Euerm Paul

 

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