Brief (Transkript)

Paul Friedrich Wilhelm Koegel an seine Familie am 4.1.1871 (3.2013.2712.7)

 

St. Gemain, den 4 Januar, [18]71.

Liebe Mutter u Schwestern !

Eure lieben Briefe vom 18 v[origen] M[ona]ts Abends unnd vom 21 v Mts
den Geldbrief mit 3 rtl (Reichstaler) von Dir, liebe Mutter, sind nach=
einander in meinen Besitz gekommen, letzterer aber
erst vorgestern; und sage ich Euch vielen Dank für
das Geld. Leid thut es mir, wenn Ihr Euch von Geld entblößt,
thut dies lieber nicht, wenn ich hier bin, komme ich
mit meinem Gelde schon aus. Wenn erst wieder
Pakete angenommen werden und Ihr könnt mir
ebisweilen etwas Butter u[nd] Zucker schicken, derartige
Artikel sind hier rasend theuer, das würde ich mit
Freuden annehmen. Butter kostet hier das [Pfund] 16 – 20 Sgr (Silbergroschen)
das [Pfund] Zucker 16 Sgr, überhaupt ist hier alles enorm
theuer, vor einigen Tagen kaufte ich mir ein
Paar Handschuh für 25 Sgr, ganz gewöhnliche Dinger von
Tuch genäht, ebenso kaufte ich einen Schvahl (Schal?) für 1 rtl 20 Sg
bei uns würde er vielleicht 25 Sg bis 1 rtl kosten.
Hoffentlich habt Ihr meinen Brief von Fontenay de Fleary
jetzt erhalten und wißt, daß es mir bis dahin ganz
gut ging, inzwischen sind wir nun wieder nach
hier marschiert, ging gestern früh ist mein Regt. (Regiment)
nun wieder auf kurze Zeit nach Versailles zu auf
Recognostcirungen (Erkundungen) abmarschirt und ich bin mit noch
einigen Leuten hier zurückgeblieben, die Ursache, wes=
halb ich hier zurückgeblieben ist die, ich habe nämlich seit
einigen Tagen ein Geschwür im Gesicht, dicht unter

(Randbeschriftung links)

Schickt mir doch mitunter eine Zeitung, wenn es angeht.
Seid doch so gut und schickt mir einige Briefbogen mit.

Nase, und da mußte ich mich sehr vor Kälte hüten,
wir warten hier also bis unser Regt. zurückkehrt.
Wie liegen hier in solch Art Bürger=Lazareth, wo es
uns ziemlich gut geht. In der ersten Zeit war das
Geschwür ziemlich bösartig, jetzt ist es aber beinahe
geheilt. Den Weihnachts=Heiligabend habe ich hier
noch g recht nett verlebt, unsere ganze Compagnie hatte
von unserm Comp. Chef eine Bescheerung erhalten.
Es war eine Verloosung veranstaltet, ich für mein
Theil gewann 1 rtl. Dann waren verschiedene Bowlen
gebraut und eine Meaße Kuchen gebacken und
die Mannschaften der Compagnie waren bis spät Abends
in Heiterkeit und Gesang beisammen. Wie steht es
denn mit Fritzen´s Angelegenheit, ist er gewählt oder
wißt Ihr auch noch nichts Bestimmtes darüber?
Wie ist es mit der Testaments=Angelegenheit, wie habt Ihr
darüber entschieden.? Hat Adolph in der Angelegenheit
an Euch geschrieben? Ihr müßt nicht glauben, daß es
hier auch so kalt ist be wie bei Euch, wir haben hier
höchstens 8 Grad und dabei ist es schon auszuhalten.
Daß es mit Deiner Gesundheit, liebe Mutter, immer noch
nicht gut steht, beklage ich sehr, Gott gebe, daß Du endlich
von diesem Leiden befreit werdest. Den guten Loeschkes
sagt meinen herzlichen Dank für den Thlr (Taler) ich werde
in den nächsten Tagen an die schreiben. In diesen
Tagen soll das Bombardement wieder beginnen, es
werden immer einzelne Forts angegriffen, einige
sind bereits in unsern Besitz.

Lebt Alle recht wohl und seid herzlich gegrüßt
von Euern Paul

(Randbeschriftung links)

Schreibt recht bald wieder, ich bekomme so wenig Briefe von allen Seiten, woran ich bisher garnicht gewöhnt war.

 

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