Mein lieber Bruder Paul !

Endlich komme ich dazu Dir Deinen
lieben Brief zu beantworten. Mein
lieber Bruder zuerst sage ich Dir
meinen wärmsten Dank für Deine
so herzlichen Glückwünsche, gebe der liebe
Gott daß sie in Erfüllung gehen mögen.
Fräulein Julchens Hochzeit ist nun auch
vorüber, Du warst doch da? Wer waren
denn die Gäste alle, der Onkel läst Dich
besonders recht bitten doch so bald wie Dir
möglich von der Hochzeit recht viel zu er=
zählen, er hat von Ottersleben noch gar=
keine Nachrichten erhalten, nur schönen
Kuchen, und intreziert sich so sehr für die Hochzeit,
bitte lieber Paul schreibe doch recht ausführ=
lich darüber. Was hast Du denn nun geschenkt?
Frau Rocholl aus Lippstadt ist gewiss noch
dort, ich bin mit ihr gut auseinander ge=
gangen.

(seitlich links randgeschriebener Text)

Der Onkel meint im[m]er Du hättest müssen Soldat bleiben, die
Kriegsjahre wären Dir doppeld gerechnet, u. dann hättest Du können
eine gute Stelle
beko[m]en, Du
hattest wohl
keine Lust
dazu.

Unbeschreiblich freue ich mich darauf
daß mich Otto im nächsten Semester,
wenn Gott will besuchen wird, aber nun
bitte ich Dich, daß Du davon noch nichts
in Ottersleben, und überhaupt garnicht
von sprichst. man möchte vielleicht dem Onkel
wieder etwas ausreden wollen, der Kosten
wegen, denke Dir ich weis genau das
Fräulein Emmy geschrieben; ich hätte die Reise
ja von Elberfeld aus, auf meine eigne
Kosten nach Som¯erfeld machen, also war sie
wirklich bange der Onkel könnte mir das
Reisegeld geben, das gönnt sie mir nicht mal,
weißt Du, der Dr. sagt wenn ich nicht hier
wäre, läge der Onkel längst im Grabe, das
weis nun natürlich der leibe Gott nur.
Ich bin ihr aber desswegen nicht böse, ach nein
sie ist wie viele Menschen gefühlloos.
Lebe recht wohl lieber Paul, der Onkel läst
Dich auch grüßen, doch die herzlichsten Grüße
nim¯ von

Deiner Dich liebenden Schwester
Emma Kögel

(seitlich links randgeschriebener Text)

Es thut mir so leit daß Du wieder die Übung muß
mitmachen, ich wünsche nur daß es Dir gut geht.