Brief (Transkript)

Pastor Moritz Lessing an Hauptmann Schramm am 16.7.1859 (3.2015.374)

 

Sr. (Seiner) Hochwohlgeboren
dem Herrn Hauptman̅ & Copagnie=Führer
Schramm
zu
Aschersleben.

Ew. (Euer) Hochwohlgeboren verfehle ich nicht auf die heu=
te an mich eingegangene Anfrage der Königl.[ichen]
12ten Compagnie 27sten Landwehr=Regiments Fol=
gendes gehorsamst zu berichten:
Allerdings sind von der betr.[effenden] Commission die Unter=
stützungsgelder für die Frauen und respect.[ive] (bzw.) Fami=
lien eingezogener Wehrleute nicht gleichsmäßig fest=
gestellt, sondern auf Grund einer von Sr. Excel=
lenz dem Herrn Kriegsminister zu dem Gesetz
von 1850 erlassenen Declaration, nach dem Ma=
ße der Unterstützungbedürftigkeit bei den Ein=
zelnen.
So bekommen also die Frauen und Familien bemit=
telter und respect. wohlhabender Wehrleute gar kei=
ne Unterstützung; bei den übrigen sind zur Fest=
stellung derselben folgende Punkte maßgebend ge=
wesen:
1, ob die Familie ein Haus, Garten und Acker be=
sitzt und wieviel etwa Schulden darauf lasten.
2, wie alt die Frau und ob dieselbe arbeitsfähig ist.
3, wie viel Kinder sie hat und wie alt dieselben sind,
4, ob etwa noch alte Aeltere unterstützt werden müssen
5, ob die Frau und Kinder vielleicht Aeltere oder
sonstige Verwandte haben, von denen sie unter=
stützt werden.
Ew. Hochwohlgeboren werden selbst ermessen, wie nach
diesen gewiß gerechten und billigen Rücksichten,
welche in den Conferenzen der Unterstützungs=
Commission, denen ich beigewohnt habe, die Ho
möglichst genau erwogen worden sind, die Höhe

der Unterstützungsgelder verschieden gestellt
werden mußte. Die Sätze steigen demnach auch
von 1 rt (= Reichstaler) bis 2 rt 10 Sg (Silbergroschen) monatlich und sind in dem
Mansfelder Gebirgskreise, so viel mir bekan̅t, nur
2 einzelne Fälle von 3 rt vorgekom̅en, wo die Um=
stände ganz besonders ungünstig waren.
Waren hier und da die Angaben der Ortsschulzen (Dorfvorsteher),
welche der Abschätzung zu Grunde gelegt wurden,
hier weniger genau und hat sich bei näherer
Erkundigung der betr.[effenden] Commissarien die Lage
der Familie anders herausgestellt, als die Com=
mission sie hatte beurtheilen müssen, so ist da=
nach auch die Höhe der Unterstützungsgelder
verändert und das durch ein solches Versehen
etwa Eingebüßte nachgezahlt worden, wenn die
Sache nur auf legalen Wegen durch den Ortsschul=
zen an den Herrn Landrath gebracht und durch
diesen der Commission vorgetragen wurde.
Leider hat sich aber in einigen Fällen die Ansicht der
Percipienten (Wahrnehmende) geltend zu machen gesucht, als sollten
die betr. Frauen durch diese Gelder mit ihren Fa=
milien nicht blos unterstützt, sondern förmlich er=
nährt werden, und man hat zu bedenken vergessen,
ob das auch ausführbar sei. Es hat aber eine vor=
läufige Ueberschlagsberechnung für den Fall, daß
auch noch das zweite Aufgebot der Landwehr mobil
gemacht werden müßte, das Resultat ergeben, daß
dan̅, auch nach diesen ermäßigten Ansätzen, der Mans=
felder Gebirgskreis 12 – 1300 rt auf zubringen haben
würde.
Zuletzt will ich zu bemerken nicht unterlasen, daß
bei diesen Ansätzen auch in Berücksichtigung gezogen
ist, wie es gerade in dieser Zeit in unserer Gegend
überall Arbeit und verdienst giebt, daß aber natür=
lich für den Winter die Sätze erhöht werden müß=
ten, wen̅ dan̅ noch Unterstützungsgelder nöthig sein
sollten.
Kloster-Mansfeld, den 16ten Juli 1859.

M Lessing, Pastor.

 

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